
Postkarten, Kinderkleidung, Schmuck, Kosmetik und Möbel – wer den Laden „Handmade Designs” im Leipziger Petersbogen betritt, findet so schnell nicht wieder hinaus. Die Fülle an selbst gemachten Utensilien ist groß. Das Auge wandert von einem schönen Ding zum nächsten – jedes Stück ist designt von Künstlern und Künstlerinnen aus Leipzig und Umgebung.
Die Frau, die hier die Fäden in der Hand hält, steht mitten im Laden und lächelt. Melanie Große gewann mit ihrem Konzept einen Ideenwettbewerb der Stadt Leipzig, bei dem es um die Belebung der Innenstädte ging. „Ich wollte einen Indoor-Kreativraum in Leipzig schaffen, wo mehrere Künstler ihre Arbeiten zeigen können”, erklärt die 44-Jährige, die auch selbst künstlerisch tätig ist. Auf kleinem Raum eine „geballte Ladung Kunst” entdecken – diese Idee überzeugte die Jury.

Im September 2024 eröffnete der Laden an einem anderen Ort im Petersbogen, zunächst mit Arbeiten von zehn Künstlern. Das Ganze wurde schnell zum Selbstläufer. Immer mehr Kreative klopften bei Melanie Große an und fragten, ob sie ihre Produkte hier anbieten können. „So hatten wir schnell ein schönes Sortiment.” Heute sind es mehr als 60 Künstlerinnen und Künstler, die ihre Arbeiten zum Verkauf anbieten.
Als Pop-Up-Store im Petersbogen eröffnet
Die Probephase als Pop-up-Store lief bis Februar. Stadt und Bund zahlten in dieser Zeit die Miete, der Petersbogen übernahm die Nebenkosten. Außerdem gab es ein Budget für Ladenausstattung und Marketing. Da das Ganze so gut angelaufen war, sollte es danach an anderer Stelle in der Passage weitergehen. „Jetzt läuft alles auf meine Kappe”, sagt Melanie Große. Sie führt den Laden in Eigenregie weiter, muss nun auch Miete zahlen. Vorerst ist die Laufzeit auf ein Jahr ausgelegt.
Große hofft, dass der Laden langfristig bestehen kann. Die Schichten im Geschäft teilen sich derzeit zehn Kreative auf. Im Gegenzug bekommen sie eine besonders große Ausstellungsfläche und zahlen keine Miete. 60 Stunden müssen pro Woche abgedeckt werden. Geöffnet ist Montag bis Samstag von 10 bis 20 Uhr.
Um die Bürokratie, die im Hintergrund abläuft, kümmert sich Melanie Große allein. Befreundete Künstler aus dem Leipziger Laden „Simsala Ost“ erklärten ihr, wie eine Kasse funktioniert, andere gaben Tipps für die Buchhaltung. „Alle sind sehr hilfsbereit.” Bisher wird das Geschäft sehr gut angenommen. „Es funktioniert”, freut sich die Initiatorin. Besucher loben das Konzept, weitere Künstler bewerben sich um einen Platz im Laden. Hier können sie wetterunabhängig ihre Arbeiten präsentieren und müssen nicht von Markt zu Markt tingeln. Besonders beliebt sind Prints, Kinderklamotten, Geschenkartikel und Schmuck. Große hofft, dass jetzt im Sommer auch einige Touristen den Laden entdecken.
Alte Möbel aufpolieren
Vor Ort zeigt die Leipzigerin auch einige ihrer eigenen Arbeiten – Kerzenständer und einen Schrank, der als Katzenhaus umfunktioniert wurde. Sie hat sich darauf spezialisiert, alten Möbelstücken neuen Glanz zu verleihen. „Möbel sucht Farbe” heißt das Label, unter dem sie seit zehn Jahren alten Möbelstücken zu einem zweiten Leben verhilft. Zunächst machte sie das für die eigene Verwandtschaft.

Melanie Große verpasst alten Möbeln einen frischen Anstrich. Foto: privat
Nach und nach kamen immer mehr Aufträge dazu, sodass sie 2015 einen Laden in der Arthur-Hoffmann-Straße eröffnete und sich zu Hause in Connewitz eine Werkstatt einrichtete. Das Fachwissen brachte sich Große selbst bei. Heute bringen viele Leute alte Schränke, Küchenbuffets oder Kommoden zu ihr. Zwei bis drei Wochen ist sie im Schnitt mit einem Möbelstück beschäftigt.
Melanie Große repariert auch kleinere Schäden, aber: „Mir geht es eher um die gestalterische Arbeit.” Dafür müssen die Möbelstücke in der Regel zuvor in einer Laugerei in Engelsdorf behandelt werden. Dort kommt der alte Lack komplett ab. Danach schleift die Künstlerin die Oberfläche ab, grundiert, bemalt und lackiert das Möbelstück. Meist verwendet sie dafür pastellige Töne im Landhausstil. Auch Papiertechnik, Schablonen oder Blattgold kommen zum Einsatz. Melanie Große organisiert außerdem Workshops, in denen sie den Teilnehmenden beibringt, mit welchen Techniken sie alten Möbeln neuen Glanz verleihen können.
Große wächst in Zerbst in Sachsen-Anhalt auf
Dass sie sich beruflich mal kreativ austoben wird, deutet sich in Großes Kindheit und Jugend schon an. Doch dann tritt sie zunächst auf die Bremse – typisch Zwillinge, sagt sie und lacht. Melanie Große wächst in der sachsen-anhaltischen Kleinstadt Zerbst auf. Als Kind bastelt und malt sie sehr gern.
Nach dem Abitur will sie in Berlin Kunst studieren. Doch dann bricht sie den Bewerbungsprozess ab. „Ich hab eine Weile gebraucht, um mich zu finden”, sagt sie rückblickend. Fest steht für sie: „Leipzig war ein Ort, wo ich immer schon gern hinwollte.” Also schreibt sie sich an der Uni für Sozialwissenschaften ein, sattelt später ein zweites Studium in Projektmanagement drauf.
Große arbeitet anschließend im Kulturbereich, zunächst im Frauenzentrum in Bitterfeld, später bei der Stadt Leipzig, wo sie soziale Projekte begleitet. Dann kommt ihr Sohn Emil zur Welt. Große merkt: Der Bürojob ist nicht ihr Ding. „Ich muss mich frei bewegen können.” Sie macht sich selbstständig und hat es bisher nicht bereut. „Ich wusste, wir schaffen das.” Anfangs stand sie mit ihren Möbeln auf Märkten und arbeitete nebenher freischaffend als Projektmanagerin.
Fokus auf dem Laden im Petersbogen
Nun liegt ihr Fokus auf dem Laden im Petersbogen. „Der hat gerade oberste Priorität.” Andere Interessen muss sie dafür momentan hintenanstellen – die Musik zum Beispiel. Ganz in den Hintergrund treten sollen ihr Soloprojekt „Hey Mel” und ihre Band „Die Mondnomaden” aber nicht. Seit zwei Jahren ist Große mit der Kombo unterwegs, spielt Konzerte auf kleineren Bühnen in Leipzig. Einmal pro Woche trifft sich die Truppe zum Proben im Wohn- und Musikprojekt „Bonanza“ in DölitzDösen. Derzeit wird ein neuer Bassist gesucht, der die Band verstärkt.
Alle Texte stammen aus ihrer Feder. Darin verarbeitet sie Themen, die sie beschäftigen: Es gibt ein Lied über die Großstadt Leipzig, ein anderes über die Liebe zur eigenen Großmutter. „Über die Songs lasse ich andere Menschen an meinen Gedanken teilhaben und entdecke Gemeinsamkeiten.”

einen neuen Bassisten. Foto: privat
Eine Zeit lang war Melanie Große mit der Leipziger Rapperin „Mrs. Rose” unterwegs, unterstützte sie bei deren Refrains auf der Bühne. „Das war ’ne coole Zeit”, sagt sie heute – und eine Art Testlauf für ihre eigene Band. „Kann ich mir das vorstellen, auf der Bühne zu stehen?” Anfangs sei es eine Überwindung gewesen. Doch dann überwiege der Dopamin-Kick auf der Bühne, das Glücksgefühl, das sich einstellt. „Man feiert sich gegenseitig und die Musik flasht einen. Das ist ein tolles Gefühl.”
Perfektionistin und gut organisiert
Dennoch ist Große vor jedem Gig aufgeregt, fragt sich: Wird alles klappen? „Ich bin Perfektionistin.” Und sie ist gut strukturiert. Um ihren Alltag zwischen Kreativladen, Möbelwerkstatt, Band und ihrem 13-jährigen Sohn zu bestreiten, muss sie sich gut organisieren. „Ich plane mein Leben durch”, sagt die Leipzigerin. Dafür geht sie teilweise über die eigenen Grenzen. „Ich arbeite auch mal eine Nacht durch und schlafe erst morgens”, sagt sie. Als Selbstständige sei sie flexibel in dieser Hinsicht. Und: Nachts ist sie besonders produktiv.
Melanie Große würde für den Laden im Petersborgen irgendwann gern einen Verkäufer oder eine Verkäuferin einstellen. Sie hofft sehr, dass daraus „ein zukunftsfähiges Projekt wird, von dem wir alle profitieren”. Schließlich sei das Geschäft eine echte Bereicherung für die City – ein kreativer Ort im Einkaufstempel. Gina Apitz
Am 22. Juli spielen„Hey Mel“ und die Mondnomaden ein Konzert beim Leipziger Burgplatzsommer. Weitere Infos: www.moebelsuchtfarbe.de